In der Pubertät geht es darum, ein eigenes Lebenskonzept zu finden. Deshalb brauchen Jugendliche Zeit- und Gestaltungsräume, um sich bewusst mit dem beschäftigen zu können, was für sie sinnstiftend sein soll und was ihrem Leben Halt und Orientierung geben kann. Im kirchlichen Kontext (von Religionsunterricht, Jugendarbeit und Konfirmandenarbeit) ist es wichtig, den Jugendlichen trag- und zukunftsfähige Selbst-, Menschen- und Weltbilder aus der christlichen Tradition anzubieten. In der Beschäftigung mit den solcherart sinngebenden Erzählungen überprüfen sie jeweils auch ihr eigenes, momentanes Selbstkonzept: Das, wie sie sich selbst, die Anderen und die Welt sehen; das, was für ihr Denken, Fühlen, Wollen und Handeln impulsgebend sein wird. Für ein bewusst gestaltetes Bildungssetting leuchtet die von Prof. Friedrich Schweitzer vorgeschlagene Unterscheidung der drei Dimensionen Theologie der Jugendlichen, Theologie für Jugendliche und Theologie mit Jugendlichen ein.
Theologie kann unter den Bedingungen der Postmoderne (Individualisierung, Pluralisierung, Enttraditionalisierung, Globalisierung) heute nur „im Plural“ verstanden werden. Genau genommen konnte man allerdings auch noch nie von einer „Theologie“ ausgehen (vgl. Luthers Auslegung des 1. Gebots in seinem Großen Katechismus, die in der bekannten Aussage gipfelt: „Worauf Du Dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich Dein Gott.“). Die „Theologie“ eines Menschen kann in dieser Linie als das Ensemble seiner auf eine Transzendenz bezogenen Einstellungen bezeichnet werden, die sein Denken, Fühlen, Wollen und Handeln bestimmen. Neurobiologisch gesehen bildet sich ein vorbewusstes, implizites „theologisches Konzept“ vor allem durch Erfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen und eigenen Erfolgs- bzw. Misserfolgserlebnissen aus. Es wird durch bedeutsame Angebote wie Märchen, Erzählungen und (literarische) Kunstwerke aus der Tradition der Religionen gestützt und geformt. Das so entstehende Selbstkonzept der Jugendlichen (z. B. „Ich bin nur ein kleines Licht“) ist existenziell bedeutsam – auch wenn es nur beschreibend sichtbar wird, wie z. B.: „Nur die Braven kommen in den Himmel.“ (Hier wären verschiedene Nachfragen möglich bzw. sinnvoll, z. B.: „Welche Chancen siehst du da für dich?“ „Was bedeutet es für dich, in den Himmel zu kommen?“ „Wann ist ein Mensch ‚brav‘?“ „ Was passiert mit denen, die nicht brav sind?“)
Die Äußerungen der christlichen Religion (heilige Texte, Orte und Zeiten; Diakonie, kirchliches Leben) sind – als kontextuelle Re- und Ko-Konstruktionen – „Erinnerungsfiguren“ der Tauf-Botschaft: Du hast Anteil an Würde und Auftrag der Gottebenbildlichkeit. Du bist großartig und kannst/sollst an der Heilung der Welt mitwirken. Im Konzept des Theologisierens stellen diese Erinnerungsfiguren Lernanregungen dar, mit denen sich die Jugendlichen auseinandersetzen sollen. Sie werden also nicht als „ewig gültige Wahrheiten“ verstanden und vermittelt, sondern als kontextabhängige Manifestationen des christlichen Glaubens, die auf Grund ihrer Gestalt zu Herausforderungen für die aktuellen Lebenswelten werden können. Für die Konfi-Arbeit bieten sich vor allem Anregungen des Erfahrungs- und Lernraums Gemeinde an: der Kirchenraum, der Sonntagsgottesdienst, die Kasualien, diakonische Einrichtungen, das Zusammenleben in der Kirchengemeinde wie weltweit sowie die damit zusammenhängenden biblischen Texte und religiösen Rituale und Formeln (Glaubensbekenntnis, Vaterunser etc.). Die Unterrichtenden achten jeweils darauf, dass die präsentierten Erinnerungsfiguren einerseits komplex genug sind, damit die verschiedenen Jugendlichen Andockmöglichkeiten sehen; dass sie andererseits aber auch elementar genug sind, damit sie für die beteiligten Jugendlichen relevant sein können.
Der Prozess des Theologisierens ist eine Form der „Kommunikation des Evangeliums“: Die Äußerungen der christlichen Religion treffen auf entsprechende Reaktionen (Anfragen, Gewissheiten, Gestaltungen etc.) der Jugendlichen – und umgekehrt. Wo diese Begegnung – in einer Haltung gegenseitiger Anerkennung – gelingt, können sich sowohl die Gottes- und Selbstkonzepte der Jugendlichen wie auch die Äußerungen der Religion verändern: Die Jugendlichen deuten die religiösen Angebote gemäß ihrem eigenen Verstehenshintergrund und machen sie für sich passend, d. h. sie geben ihnen eine kontextuelle Gestalt. Und andererseits beeinflussen die Erinnerungsfiguren das Selbstkonzept der Jugendlichen, indem sie deren Selbst-, Menschen-, Welt- und Gottesbild bestätigen, erweitern oder korrigieren.