Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

Wegweiser zum Umgang mit dem LehrplanPLUS im Fach Evangelische Religionslehre für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

 

1) Überblick

Ziel ist es, auch die Förderschulen im LehrplanPLUS System digital abzubilden. Eine gedruckte Fassung des Lehrplans ist nicht mehr vorgesehen und auch nicht sinnvoll, da die Serviceangebote nur online umfassend genutzt werden können.

Im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (gE) wurde eine formale Anpassung an den LehrplanPLUS vorgenommen. Inhaltlich versuchte man eine Anlehnung an den früheren Lehrplan, da dieser bereits den Grundgedanken der Kompetenzorientierung in vielen Aspekten widerspiegelte. Aus diesem Grund fallen die inhaltlichen Änderungen gering aus. Es galt die staatliche Vorgabe, den bestehenden Lehrplan soweit wie möglich beizubehalten.

2) Auswahl des richtigen Lehrplans

Die Lehrpläne finden Sie, wenn Sie auf der Startseite des LehrplanPLUS die Schulart Förderschule  anklicken.

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Dann wählen Sie das Fach Evangelische Religionslehre und danach den gewünschten Förderschwerpunkt.

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Nun können Sie, wie gewohnt, das Fachprofil oder die Fachlehrpläne der einzelnen Jahrgangsstufen auswählen.

3) Beschreibung des Fachlehrplans geistige Entwicklung

3.1) Besonderheiten des Förderschwerpunkts geistige Entwicklung (FÖS gE)

Um den Aufbau des Lehrplans für den FÖS gE verstehen zu können, sind einige Anmerkungen zu den Besonderheiten dieses Förderschwerpunktes unerlässlich.

Die Schülerinnen und Schüler dieses Förderschwerpunktes weisen die größte Heterogenität aller Förderbereiche auf. Sie reicht von jungen Menschen mit einer starken Lernschwäche, die lesen und schreiben können, bis zu Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen, die sich kaum ausdrücken können. Hinzu kommen vielfältige Verhaltensauffälligkeiten und pflegerische Bedürfnisse. Jede Schülerin und jeder Schüler ist in einem weitaus größeren Maß als in anderen Schularten in seiner ganz eigenen Individualität ernst zu nehmen.

Die häufig zu hörende Beschreibung, ein Jugendlicher sei z. B. auf dem Stand eines vierjährigen Kindes, wird den Befindlichkeiten von Menschen mit Behinderung in keiner Weise gerecht. Auch wenn gesellschaftlich geforderte kognitive Leistungen nur gering ausgeprägt sind, können diese jungen Menschen oft erstaunliche assoziative und existentielle Kompetenzen entwickeln, was für den Religionsunterricht äußerst bedeutsam ist und eine große Chance darstellt. Zudem sind fünfzehnjährige Jugendliche mit geistiger Behinderung als Jugendliche zu sehen und es muss ihnen entsprechend begegnet werden.

Die in aller Kürze beschriebenen Gegebenheiten erklären, dass der Lehrplan im FÖS gE nicht nach Jahrgangsstufen differenziert, sondern für die Klassenstufen 1-9 (und für die Berufsschulstufe 10-12) Lernprozesse beschreibt.

3.2) Überblick über die Lernbereiche des Fachlehrplans (vgl. Fachprofil Punkt 3)

Sowohl in den Jahrgangsstufen 1 – 9 als auch in den Jahrgangsstufen 10 – 12 werden die Inhalte des RU in vier Lernbereiche eingeteilt, die der Einteilung des alten Lehrplans entsprechen. Die Formulierungen wurden dabei beibehalten.

In den Jahrgangsstufen 1 – 9 gliedert sich der Lehrplan somit in die folgenden vier Lernbereiche:
- Lernbereich 1: Geborgen sein – Gott erfahren
- Lernbereich 2: Angenommen sein – Jesus, Freund und Begleiter
- Lernbereich 3: Leben und Handeln – Kraft aus dem Geist Jesu
- Lernbereich 4: Wahrnehmung der Welt – Freude über die Schöpfung

In den Jahrgangsstufen 10 – 12 der Berufsschulstufe finden sich die folgenden vier Lernbereiche:
- Lernbereich 1: Leben und Handeln – die Welt gestalten
- Lernbereich 2: Angenommen sein – zur Gemeinschaft der Christen gehören
- Lernbereich 3: Sich getragen wissen – mit Gott durchs Leben gehen
- Lernbereich 4: Die Welt wahrnehmen – Perspektiven des Lebens

In diesen Lernbereichen eingeordnet, findet jedes einzelne Unterrichtsthema und jeder Lerninhalt seinen Ort. Die didaktische Erschließungsrichtung eines Themas wird in den individuellenkompetenzorientierten Lernaktivitäten angezeigt. Hierbei wurde darauf geachtet, diese weitestgehend in aufsteigendem Anspruchsniveau anzuordnen (vom Erlebbaren bis hin zu theologisierenden Kompetenzerwartungen). Somit wird die Heterogenität hinsichtlich der individuellen Lernvoraussetzungen berücksichtigt sowie jeder einzelnen Schülerin und jedem einzelnen Schüler ein entwicklungs- und ressourcenorientierter Zugang zum „Credo“ des evangelischen Glaubens ermöglicht.

Der Lernweg ist spiralförmig angelegt, so dass sich diese vier Lernbereiche in zunehmender Komplexität und unter verschiedenen Blickwinkeln immer wieder im Unterricht der Jahrgangsstufen begegnen.
Insbesondere bei der Auswahl der Themen- und Lernaktivitäten kommt der Lehrkraft eine bedeutende Rolle zu. Sie trägt die Verantwortung dafür, dem Alter der Schülerinnen und Schüler, ihren individuellen Lernvoraussetzungen, dem allgemeinen Bildungsanspruch als auch der Vermeidung inhaltlicher Wiederholungen gerecht zu werden.

Die jeweils vier Lernbereiche der Jahrgangsstufen 1 – 9 als auch der Jahrgangsstufen 10 – 12 sind dann nochmals in zwei weitere Unterebenen untergliedert:

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Zur besseren Übersicht der Inhalte wurden ein Überblick über den gesamten LehrplanPLUS gE und eine Tabelle mit dem Vergleich zum alten Lehrplan gE zusammengestellt.

3.3) Kompetenzorientierte Lernaktivitäten

Eine wichtige Neuerung des LehrplanPLUS im Vergleich zum alten Lehrplan ist die Formulierung von „individuellen kompetenzorientierten Lernaktivitäten“, die den jeweiligen Unterpunkten (z. B. in Abbildung 1: ER 1.1.1: Ich atme – ich lebe) zugeordnet sind.
Sie beschreiben Möglichkeiten der unterrichtlichen Umsetzung auf verschiedenen Lernniveaus. Entsprechend den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sind die Lernaktivitäten stark handlungsorientiert ausgerichtet. Der Kompetenzzuwachs vollzieht sich in den Lernaktivitäten und ist aufgrund der großen Heterogenität der Schülerinnen und Schüler nicht einheitlich als Kompetenzerwartung formulierbar. Die Unterrichtsinhalte werden in den Lernaktivitäten mitbeschrieben. Eine Unterscheidung von Kompetenzerwartungen und Inhalten, wie in allen anderen Förderschwerpunkten, wird daher nicht vorgenommen.
Die vorgeschlagenen kompetenzorientierten Lernaktivitäten geben vielfältige methodische Anregungen für die unterrichtliche Umsetzung der Inhalte und sind somit in hohem Maße praxisrelevant.

Wie detailliert diese Unterrichtsvorschläge sind, zeigt folgendes Beispiel aus dem Lernbereich 1 „Geborgen sein – Gott erfahren“:

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Die Schülerinnen und Schüler ...

- erfahren, dass Gefühle unser Handeln beeinflussen, indem sie

  • Gefühle wie Wut, Neid, Angst, Freude, Trauer bei sich und anderen wahrnehmen, z. B. durch Mimik, Gestik, Körperhaltung, sprachliche Äußerungen oder Rollenspiele.
  • ihren Gesichtsausdruck im Spiegel betrachten und eine Stimmungsuhr gestalten.

- erkennen in der biblischen Erzählung von Josef und seinen Brüdern (Gen 37,3 f.) verschiedene Gefühle wieder, indem sie

  • am Beispiel des Josef das Zustandekommen und die Folgen von Neid unter den Menschen erleben (Gen 37,3 f.12-28).
  • sprachliche Formulierungen sowie Symbole für Wut und Neid finden und erarbeiten, z. B. dunkle Wut- und Neidsteine gestalten, beschriften und daraus einen Brunnen bauen.

- werden durch die Josefsgeschichte offen für die Erfahrung, dass Gott in der Fremde hilft, indem sie

  • erleben, was ein Leben in der Fremde und Alleinsein bedeuten kann.
  • hören, wie Josef in der Fremde durch sein Vertrauen in Gott Hilfe erfährt (Gen 41,1-45) und z. B. die biblische Erzählung nachempfinden, ausgewählte Situationen der Hilfe Gottes in der Josefsgeschichte als Standbilder gestalten, Bildergeschichten legen, ordnen und lesen, den Weg des Josef als Leporello gestalten.
  • wahrnehmen, dass auch Gott für sie in Situationen des Alleinseins eine Hilfe sein kann.

- werden auf Verhaltensweisen des Verzeihens und Versöhnens aufmerksam, indem sie

  • von der Begegnung des Josef mit seinen Brüdern und dem Weg der Versöhnung hören.
  • Situationen des Verzeihens und der Versöhnung nachspielen.

- übertragen ausgewählte Ereignisse aus der Josefserzählung in ihre eigene Lebenswelt bzw. auf heutige Situationen, indem sie

  • erleben, wie sich eine versöhnliche Geste anfühlt.
  • erfahren, dass der Weg zur Versöhnung ein weiter Weg sein kann (z. B. einen Weg im Schulhaus/auf dem Schulgelände mit kleinen Hindernissen, Höhen und Tiefen gestalten, gehend bewältigen und an einem positiv-stimmungsvollen Ziel ankommen bzw. in Empfang genommen werden)
  • von Erfahrungen der Versöhnung berichten, z. B. mithilfe von Situationskarten, Wortkarten oder Ereignisbildern.
  • die Perspektiven desjenigen einnehmen, der verzeiht, und von demjenigen, dem verziehen wird (z. B. durch Rollenspiele, Erfahrungsberichte, Emotionsbilder oder -symbole).
  • offen sind für die Botschaft, dass Gottes Liebe Verfehlungen der Menschen zum Guten wendet.

4) Weitere Beschreibung der sonderpädagogischen Förderung im LehrplanPLUS

Zusätzliche Möglichkeiten der sonderpädagogischen Förderung für diesen Förderschwerpunkt im Fach Evangelische Religionslehre werden in den Entwicklungsbezogenen Kompetenzen  formuliert. Diese leiten sich von den im Fachprofil beschriebenen Entwicklungsbereichen  (siehe unten 4.2) ab und beschreiben diese konkreter als Kompetenzerwartungen.

4.1) Die Entwicklungsbezogenen Kompetenzen

Die Entwicklungsbezogenen Kompetenzen  werden über einen längeren Zeitraum erworben. Sie sind jeweils für die gesamte Schulzeit (Klassen 1-9) bzw. für die Berufschulstufe (Klassen 10-12) formuliert.
In den Fachlehrplänen sind sie den Lernbereichen vorangestellt, da sie in diesem Förderschwerpunkt für die Schülerinnen und Schüler von besonderer Bedeutung sind. Sie werden im Rahmen der Unterrichtsinhalte des LehrplanPLUS entwickelt und stellen Querschnittsthemen zum normalen Unterricht da. Folglich sollten sie in der Unterrichtsplanung immer mitgedacht werden. Wie die Entwicklungsbereiche im Fachprofil, sind auch die Entwicklungsbezogenen Kompetenzen in vier Bereiche gegliedert: Motorik und Wahrnehmung, Denken und Lernstrategien, Kommunikation und Sprache, Emotionen und soziales Handeln.

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Zur Veranschaulichung ein Beispiel:

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4.2) Die Entwicklungsbereiche (Gliederungspunkt 2.4. im Fachprofil)

Um die innere Logik besser zu verstehen, ist ein Blick auf das Fachprofil notwendig.
Es setzt sich zusammen aus den Fachprofilen der Grund- und Mitteschule, die weitgehend unverändert zusammengefasst wurden. Eine wichtige Erweiterung erfuhr das Kompetenzstrukturmodell. Gegenstandsbereiche und prozessbezogene Kompetenzen sind identisch mit den Lehrplänen der anderen Schularten. Sie wurden aber durch die vier Entwicklungsbereiche erweitert.

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Diese vier Entwicklungsbereiche sollen Ihnen helfen, den Förderbedarf, die besonderen Lernvoraussetzungen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen. Sie wurden differenziert nach den Bereichen Motorik und Wahrnehmung, Denken und Lernstrategien, Kommunikation und Sprache sowie Emotionen und soziales Handeln.
Der Gliederungspunkt 2.4. Entwicklungsbereiche im Fachprofil beschreibt förderschwerpunktspezifisch, worauf im Religionsunterricht besonders zu achten ist. Es wird beschrieben, welche Entwicklungen die Schülerinnen und Schüler in ihrer Schulzeit machen sollen und wie sie dabei im RU unterstützt werden können.
Die Beschreibung der Entwicklungsbereiche benennt eher allgemein gehalten, was in den Entwicklungsbezogenen Kompetenzen enger und konkreter formuliert wird.

An dem Beispiel, das unter 4.1. aufgeführt wurde, kann der Zusammenhang veranschaulicht werden. Dort wurde als Entwicklungsbezogene Kompetenz genannt:

„Die Schülerinnen und Schüler ...

  • verbinden Bilder und Symbole mit Gott und bringen in eigenen Worten, Symbolen sowie körperlichen und sprachlichen Reaktionen ihre Vorstellungen von Gott zum Ausdruck.“

Diese Formulierung leitet sich von der Beschreibung des Entwicklungsbereichs „Denken und Lernstrategien“ ab. Dort steht im Fachprofil:
„Religionsunterricht verlangt als Grundfähigkeit symbolhaftes und in besonderer Weise metaphorisches Denken, da die zentralen Themen (Gott, Heiliger Geist, „Himmel“ etc.) unsichtbar und ungreifbar sind. Die Schülerinnen und Schüler eignen sich leichter Konkretes an und brauchen ausgewählte Hilfen, um Symbolhaftes zu deuten und metaphorische Sprache auf emotionaler und erfahrungsorientierter Ebene zu verstehen. Diese Kompetenzen werden entwicklungsbedingt aufbauend gefördert. Dazu bedarf es einer visuellen Unterstützung in Form von Bildern und Piktogrammen sowie einer intensiven kleinschrittigen und strukturierten Begriffserarbeitung.“

5) Schlussbemerkung

Diese kurzen Ausführungen veranschaulichen die Grundprinzipien des LehrplanPLUS für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Die Möglichkeiten sonderpädagogischer Förderung, die darin enthalten sind, erschließen sich erst nach und nach in der kontinuierlichen Arbeit mit den verschiedenen Materialien. Hierzu möchten wir Sie ermutigen und wünschen Gottes Segen und gutes Gelingen.

Ulrich Jung, Referat Förderschule
StR Fös Volker Strößenreuther

Der Wegweiser zum Umgang mit dem LehrplanPLUS als

Wegweiser zum Umgang mit dem LehrplanPLUS im Fach Evangelische Religionslehre für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

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